Wie KI-Investitionen die europäische Tech-Landschaft bewegen

Während Unternehmen sich zunehmend mit neuen Technologien der generativen künstlichen Intelligenz vertraut machen, fließen hohe Investitionen in die dafür notwendige Infrastruktur. Angesichts der außerordentlich hohen Erwartungen an KI herrscht unter Investoren Uneinigkeit, inwieweit die Realität diesen gerecht werden kann.

In Europa geht ein Teil der Investitionen an sogenannte digitale Enabler. Das sind Unternehmen mit Technologien, die für die Herstellung der Chips für KI-Rechenzentren unentbehrlich sind. So können laut Goldman Sachs Research vereinzelte digitale Enabler in Europa zweistellige Wachstumsraten bei der langfristigen Ertragsstärke erwarten, darunter Unternehmen mit Sitz in Deutschland, Frankreich und insbesondere in den Niederlanden.

Wir sprachen mit Alexander Duval, Analyst bei Goldman Sachs Research, über die Auswirkungen der KI-Expansion auf die europäische Technologielandschaft.

Welche Auswirkungen haben die Investitionen in KI auf den europäischen Technologiesektor?

Das schiere Ausmaß der weltweiten Investitionen in Hardware hat zweifellos Auswirkungen auf die Geschäfte in Europa und auf digitale Enabler – die Unternehmen, die für die KI-Expansion unentbehrlich sind. Wir gehen davon aus, dass die großen Tech-Unternehmen in den kommenden Jahren über eine Billion USD für KI-bezogene Investitionen aufwenden werden. Und diese Entwicklung hat bereits begonnen.

Die kurzfristigen Investitionsniveaus sind durchaus erheblich. Die größten Tech-Unternehmen in den USA investieren bereits in diesem Jahr rund 200 Milliarden USD. Das entspricht etwa einem Viertel der gesamteuropäischen Investitionen in allen Sektoren. Es handelt sich also in der Tat um einen sehr großen Geldbetrag. Den nutzen die Unternehmen, um ihre KI-Rechenzentren auszubauen, zu modernisieren und die erforderliche parallele Datenverarbeitung durchführen zu können.

Dabei geht es allerdings um US-Unternehmen während die Halbleiterproduzenten selbst häufig in Taiwan und Korea sitzen. Welche Rolle spielen da europäische Unternehmen?

Die sind in zweierlei Hinsicht wichtig. Erstens: für die Halbleiterausrüstung. In der Produktion leistungsstarker Halbleiter braucht man Lithografie-Systeme, mit denen sich die feinen Schaltkreise auf den Chip drucken lassen. Für diese Lithografie-Systeme im Bereich extrem ultravioletter Strahlung (EUV) gibt es im Prinzip nur einen Anbieter: Man bekommt sie nur bei ASML aus den Niederlanden.

Darüber hinaus bieten europäische Hersteller weitere spezialisierte Dienstleistungen an wie die Atomlagenabscheidung, eine sehr präzise Methode für das Auftragen von Materialien auf Wafer, mit der zum Beispiel Transistoren hergestellt werden. Auch dieses Verfahren wird von einem Unternehmen in der Niederlande durchgeführt. Alle diese Marktteilnehmer werden in der nächsten Zeit erhebliches Wachstum erleben. Ein weiteres Unternehmen aus der Region ist führend im sogenannten Hybrid Bonding, das die Energieeffizienz und den Wärmewirkungsgrad von KI-Chips verbessert. Diese Bereiche haben sogar bereits auf der Ebene der Infrastruktur mit der Entwicklung begonnen.

1. Link: 2. Basierend auf den Prognosen unseres US-Teams für Hyperscaler in den USA: 3. Nvidia: 4. BESI: 5: Link: 6. Reuters, 7. ASML Quelle: Zusammengestellt durch Goldman Sachs Global Investment Research

Welche anderen Technologien oder Unternehmen könnten profitieren?

Ein weiterer wichtiger Aspekt der KI-Expansion ist die Menge an Strom, die für den Betrieb der erforderlichen Infrastruktur benötigt wird. Vor diesem Hintergrund gibt es ein deutsches Unternehmen, dass Halbleiter herstellt, die den Stromfluss in Rechenzentren regulieren. Darüber hinaus hat das Unternehmen bereits weitere innovative Lösungen zur Steigerung der Effizienz entwickelt. Ebenso sehen wir einen Bedarf an zusätzlichen Sensoren und Mikrocontrollern am Netzwerkrand, die durch französische Technologie bereitgestellt werden können.

Was beobachten Sie grundsätzlich bei KI-Technologien?

Die allgemeine Herausforderung bei KI-Technologien ist, dass wir nicht genau wissen, wie sich ihr Eintritt in unsere tägliche Realität auswirken wird und welche Herausforderungen daraus entstehen können. Möglicherweise wird eine Regulierung erforderlich sein - sehr wahrscheinlich zumindest Leitlinien für den Einsatz von KI. Dabei wären weniger die Anwendung der Technologie und Probleme der Hardware im Fokus, sondern grundsätzlich das Programmieren der Software.

Welche potenziellen Anwendungsfälle für KI beobachten Sie?

Man kann sich bereits vorstellen, wie vielseitig viele dieser Technologien eingesetzt werden könnten. Wenn man die Gesamtheit des Internets in eine Reihe von Vektoren aufschlüsseln kann, kann man das im Grunde in jedem Bereich tun. Musik ist ein solches Beispiel. Ein anderer Bereich sind Proteine, wo man die KI für die Proteinentwicklung einsetzen nutzen könnte. Man könnte es auf Enzyme anwenden und dafür sorgen, dass bestimmte Getreidesorten besser wachsen. Man könnte damit auch Lösungen im Gesundheitssektor entwickeln. Das sind definitiv Überlegungen, die – mit ein wenig Vorstellungskraft – aufregend und gut denkbar wären.

Es bleibt noch viel zu tun, aber zweifellos suchen einige Unternehmen bereits nach Wegen, mithilfe von KI die Kosten in verschiedenen Branchen zu reduzieren.

Wie werden sich die besten Anwendungsmöglichkeiten durchsetzen?

Anleger möchten eine Rendite erzielen. Einige Unternehmen haben einen realistischen Plan, wissen also was mit dieser Technologie möglich ist, und sie haben eine klare Vorstellung davon, wie sie Rendite mit ihren Investitionen erwirtschaften können. Anleger sehen das gerne. Wiederum andere Unternehmen haben lediglich bekanntgegeben in KI zu investieren, teilweise bis zu mehrere Milliarden Dollar, und ihre Aktien sind daraufhin abgestürzt.

In unserem Bericht weisen wir darauf hin, dass wir sicherstellen müssen, dass die von mir zuvor beschriebenen Anwendungsfälle auch umgesetzt werden.

Ihr Bericht nennt ein Investitionspotenzial von einer Billion USD. Wie sieht der Zeitrahmen dafür aus?

Ich denke, es wird nur wenige Jahre dauern. Die 200 Milliarden USD für 2024 sollten eigentlich noch wachsen - und das nicht zum ersten Mal in diesem Jahr. Natürlich müssen wir abwarten, wie sich die Anwendungsfälle entwickeln. Können wir wirklich Proteine nach Wunsch herstellen? Kann uns KI wirklich dabei helfen, die Carbon Capture and Storage (CCS) Technologie voranzubringen? Können Unternehmen mithilfe von KI wirklich nennenswerte Kosten einsparen oder substanzielle Produktivitätssteigerungen erzielen?

Mehrere Halbleiterunternehmen prognostizieren ein außergewöhnliches Umsatzwachstum durch KI, und damit einhergehend extrem hohe Investitionspläne. Einige der weltweit wichtigsten Technologie-Experten sind der Ansicht, dass dieser Bereich in den kommenden Jahren an Dynamik gewinnen wird. In unserem Bericht blicken wir jedoch auf das Jahr 2030. Wenn wir bis dahin keine Rendite auf unsere Investitionen erhalten, könnte das ein Anzeichen für ein eher pessimistisches Szenario sein.

Welche Auswirkungen hat das alles auf den Ausblick für europäische Chiphersteller?

Wir haben langfristige Szenarien für eine Reihe europäischer Unternehmen entwickelt. Für einige von ihnen erwarten wir zweistellige Wachstumsraten bei den langfristigen Erträgen, insbesondere für die Halbleiterausrüster. Auch hier wird von einigen der positiveren Szenarien für die Einführung von KI ausgegangen. Es wird ein deutlich höheren Bedarf für parallele Datenverarbeitung und Speicher mit hoher Bandbreite geben. Und viele dieser Maschinenhersteller hier in Europa sind in diesem Bereich unverzichtbar.